Hunde aus dem Tierschutz haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. „Die haben doch alle eine Macke“, hört man da oder „Es wird schon seinen Grund haben, warum der im Tierheim sitzt“.
Noch schwerer hat es der Seniorhund. Von seiner Familie abgeschoben, nicht mehr gewollt, überflüssig geworden, ist das Tierheim für ihn oftmals die letzte Station, die er nicht mehr verlässt. Und wenn der Senior dann zufällig noch ein Herdenschutzhund ist, bauschen sich die Vorurteile, die viele ohnehin schon haben, wenn sie das Wort „Herdenschutzhund“ hören, zu einen wahren Schreckgespenst auf. Doch gerade alte Hunde haben eine großes Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung. Im Zwinger leiden sie nicht nur unter großer Einsamkeit. Oftmals sind sie auch schwer traumatisiert, denn die plötzliche Trennung vom Rudel „Familie“, von liebgewordenen Gewohnheiten, vom vertrauten Umfeld, hinterlässt Spuren auf der sensiblen Seele des Senioren. Hinzu kommt, dass viele der älteren Hunde unter chronischen Krankheiten leiden, nicht mehr so gut hören oder schlecht sehen. Mit ein Grund, warum so mancher Seniorhund seinen Lebensabend im Tierheim verbringen muss. Und dann gibt es noch die Hunde, die ihr ganzes Leben in einem Tierheim verbracht haben, die niemals etwas Gras unter ihren Pfoten gespürt haben, die nicht den Hauch einer Ahnung haben wie es ist, geliebt und umsorgt zu werden. Sie alle haben in einer Gesellschaft, in welcher der Wert eines Tieres gegen seinen Nutzen aufgerechnet wird, keinen Platz.
Die Vermittlungschancen älterer Hunde gehen gegen Null, denn die gemeinsame Zeit ist kurz, der Abschied nah, die Tierarztkosten hoch.So denken viele. Dann doch lieber ein Welpe oder ein Junghund. Doch auch bei einem jungen Hund gibt es keine Garantie für eine lange gemeinsame Zeit. Und wenn sich der acht Monate alte Junghund wegen einer Dysplasie in der Schulter einer Operation unterziehen muss, wird auch dies in der Regel recht teuer.
Leider neigt man gerade beim Seniorhund dazu, nur die Nachteile zu sehen und vergisst dabei, dass der alte Hund auch viele Vorteile hat. Entschliesst man sich dazu, einem älteren Semester ein Zuhause zu geben, holt man sich einen „fertigen“ Hund in’s Haus. Einen Hund, der schon viel gesehen und erlebt hat, weil er vielleicht lange auf der Straße gelebt hat, der im günstigen Fall die Grundkommandos kennt, alleine bleiben kann und es gewohnt ist, im Auto mitzufahren, ein Hund, der mit den meisten Alltagssituationen klar kommt. Schließlich hatte so mancher Senior mal eine Familie und weiß, wie’s läuft. Auch aus dem Päckchen, welches der ältere Hund mit sich trägt, macht er selten einen Hehl. Wenn er etwas nicht leiden kann, so bekommt man es relativ schnell mit. Liebt er manche Dinge besonders, zeigt er es schnell. Er ist ein fertiger Charakter, der seine Vorlieben und Abneigungen offen zeigt. Dies sollte man respektieren.
Ein weit verbreitetes Vorurteil ist, dass ältere Hunde nichts mehr lernen können. Wer das in die Welt gesetzt hat, ist uns ein Rätsel. Denn auch der Seniorhund ist neugierig, wissbegierig und freut sich über ein Leckerchen, wenn er etwas gut gemacht hat.
Sich auf das Wagnis „alter Hund“ einzulassen, ist sehr bereichernd. Hat man einmal erlebt, wie diese Hunde aufleben, wenn sie sich wohl fühlen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden, so ist das etwas ganz Einmaliges. Man beschenkt sich quasi gegenseitig. Es ist unbeschreiblich zu sehen, wie der arthrosegeplagte Hund plötzlich wie ein Welpe über die Wiesen galoppiert und sich an seiner Freiheit erfreut. Man hat das Gefühl, dass alle Lebensphasen nochmals durchlaufen werden. In Zeitraffer. Vom Welpen bis zum Senioren.
Und seien Sie nicht allzu traurig wenn Sie merken, dass die Zeit des Abschieds naht und die Kräfte Ihres alten Freundes schwinden. Begleiten Sie ihn bis zu seinem letzten Atemzug. Damit, dass Sie diesem Hund ein Zuhause geschenkt, ihn umsorgt, geliebt und respektiert haben, haben Sie ihm das größte Geschenk überhaupt gemacht. Er musste seine letzten Monate oder Jahre nicht alleine im Tierheimzwinger verbringen, er hatte Sie.